Über dem Eintrag zu „Karl Lagerfeld: A Line of Beauty“ stellt ein Zitat mutig die Vorstellung in Frage, dass Mode in einer Galerie keinen Platz habe. Dieser freche Aphorismus, den der verstorbene deutsche Designer selbst erfunden hat, wird bei der erfrischenden Costume Institute-Show im Metropolitan Museum zweifellos widerlegt. Die Ausstellung, die am 5. Mai für das Publikum geöffnet ist und bis zum 16. Juli läuft, befasst sich eingehender mit Lagerfelds sorgfältig komponierter, überlebensgroßer Persönlichkeit und geht dabei auf die inhärenten Widersprüche ein.
Wie Max Hollein (Direktor des Met) sagte, stellt die Ausstellung vor allem die Entwürfe in den Vordergrund. Auch namhafte Teilnehmer wie Anna Wintour und Karl Lagerfelds langjährige Mitarbeiterin Amanda Harlech, die als kreative Beraterin für „A Line of Beauty“ fungierte, waren dort anwesend. Das Wesentliche ist, Einblicke in Karls Persönlichkeit zu gewähren und sich dabei auf sein Design und seine künstlerischen Beiträge zu konzentrieren. Lagerfeld hatte eine herausragende Position in der Modebranche inne und leitete viele Jahre lang gleichzeitig Fendi, Chanel und sein eigenes gleichnamiges Label. Darüber hinaus arbeitete er mit Chloé, Patou und verschiedenen Massenmarktmarken zusammen. Was Sie über die Ausstellung wissen sollten, ist, dass die Organisatoren unglaubliche zehntausend Stücke in Betracht gezogen und letztendlich etwa 200 für die Ausstellung ausgewählt haben. Chefkurator Andrew Bolton kuratierte die Ausstellung fachmännisch und entschied sich für eine thematische Organisation statt nach Modehaus oder Chronologie. Die Themen umfassen romantische, militärische, handwerkliche und mechanische Inspirationen. Der Titel und die Struktur der Ausstellung sind von William Hogarths Buch „The Analysis of Beauty“ aus dem Jahr 1753 inspiriert. Lagerfeld, ein Universalgelehrter mit einem unersättlichen Wissensdurst, der Zeichnen und historisches Verständnis umfasste, trug zu diesem intellektuellen und zum Nachdenken anregenden Konzept bei. Das Ergebnis ist jedoch nicht übermäßig verkopft, sondern strahlt eher Freude aus. Selbst die engagiertesten Anhänger Lagerfelds werden die Ausstellung mit einem tiefgreifenden Verständnis für die Arbeit des Designers verlassen.
Die minimalistische Szenografie des Architekten Tadao Ando fungiert als idealer Ort, um die Kleidungsstücke der Kollektion hervorzuheben. Lagerfelds bemerkenswerte Langlebigkeit in der Modebranche verleiht dieser Retrospektive eine hinreißende historische Dimension. Anhand der präsentierten Stile lassen sich grundlegende gesellschaftliche Veränderungen und Umbrüche erkennen, die von der Schlichtheit der 1950er Jahre bis zu Lagerfelds letzten Kollektionen im Jahr 2019 reichen. Die Zeit selbst wird fließend und in den Designs verborgen. Lagerfeld kombinierte meisterhaft historische Bezüge als Designelemente und legte dabei besonderes Augenmerk auf europäische Militärkleidung und Uniformen aus dem Ersten Weltkrieg des 18. und frühen 19. Jahrhunderts. Lagerfelds bemerkenswerte Vielseitigkeit ging über seine sich ständig weiterentwickelnden Persönlichkeiten und Selbstmythologien hinaus. Im Laufe seiner Karriere beschäftigte er sich mit diametral entgegengesetzten Stilen, sprengte die Grenzen der etablierten Chanel-Codes, übernahm eine minimalistische Ästhetik für seine gleichnamige Marke und widmete sich bei Fendi der opulenten Romantik. Sein einzigartiges Talent bestand darin, jedes Genre zu beherrschen und nahtlos zwischen ihnen zu wechseln, wie ein agiler Himmel-und-Himmelfahrt-Spieler. Lagerfelds kreative Bandbreite reichte von schlicht und schick über luxuriös poetisch bis hin zu überschwänglich exzentrisch und zeigte seine Fähigkeit, sich voll und ganz auf die künstlerische Richtung einzulassen, die er verfolgte.
Besonders bemerkenswert und faszinierend sind die in der Ausstellung gezeigten Fendi-Stücke. Ein herausragendes Stück ist ein Mantel aus dem Jahr 1993, der aus einer faszinierenden Mischung aus Biber, Wiesel, Zobel, Nerz und Miniver besteht und an Lagerfelds inneren fabelhaften barbarischen Höhlenbewohner erinnert. Die folgende Schaufensterpuppe zeigt ein Tribal-New-Wave-Ensemble aus Nerz-, Fuchs- und Kidassia-Ziegenfell mit auffälligen säuregelben Ärmeln. Der Satire-Bereich der Ausstellung bringt eine reizvolle Wendung, insbesondere mit seinem Fokus auf Chloé-Trompe-l'oeil-Kleider aus den 1980er Jahren. Bemerkenswert ist, dass das Bain-Kleid geschickt eine Dusche nachahmt und mit schimmernden Pailletten versehen ist, die an Wasser erinnern, das aus einem Wasserhahn fließt. Ein weiteres auffälliges Stück ist ein schwarzes Kreppkleid aus Seide von Karl Lagerfeld aus dem Jahr 1984, das mit einem beleuchteten goldenen Kandelaber verziert ist und der Kollektion einen Hauch von Laune und Satire verleiht.