Während der kreative Prozess von Vian Sora zunächst von Chaos angetrieben wird, entsteht Ordnung durch Geduld und Überlegung. Die im Irak geborene Künstlerin, die heute in Kentucky lebt, erläuterte ihren Prozess in ihrer ersten Einzelausstellung „End of Hostilities“ in der David Nolan Gallery in Manhattan.
An den Wänden der Galerie hingen Soras farbenfrohe Leinwände, die mit üppigen Schleiern aus Grün, Rosa, Gelb und leuchtendem Blau übersät und übersät waren. Die abstrakten Arbeiten wirken zunächst chaotisch. Doch bei gezielter Beobachtung tauchen aus den lebhaften Farbtupfern nach und nach zarte Formen auf – Vögel, Schiffe, üppige Feuchtgebiete. Durch akribische Verfeinerung verwandelt Sora Unordnung in wunderschön gerenderte Visionen.
„End of Hostilities“ zeigt Vian Soras jüngste Gemälde und Arbeiten auf Papier, die hauptsächlich im vergangenen Jahr entstanden sind. Die Ausstellung fasst sowohl ihren dynamischen kreativen Prozess als auch ihre erzählerischen Interessen zusammen. Ihre Arbeiten bewegen sich auf zwei Ebenen: Sie drücken Leidenschaft aus und fordern gleichzeitig höchste Präzision. Sie trägt intuitiv Sprühfarbe, Acrylfarben und Pigmenttinten in kräftigen Spritzern und Strömen auf. Sie manipuliert diese Materialien mit allem, was in der Nähe ist – Schwämme, Pinsel, Sprühflaschen, sogar Atem – und baut geschichtete „Palimpseste“ aus Farbe auf. Später schneidet sie fleißig in die verborgenen Schichten ein und verleiht den Stücken eine archäologische Intrige. Da oft fünf oder sechs Arbeiten gleichzeitig initiiert werden, kann es viele Monate dauern, bis jedes Stück Früchte trägt. Zusammen demonstriert die Kollektion Soras Balance aus Spontaneität und akribischer Raffinesse.
„End of Hostilities“ markiert einen entscheidenden Punkt in Vian Soras künstlerischer Reise. Die 47-jährige Malerin, die in Bagdad als Tochter einer kurdischen Familie geboren wurde, erlebte als Erwachsene eine bedeutende Vergänglichkeit, lebte in Bagdad, Istanbul, Dubai und London und ließ sich schließlich mit ihrem Mann in Louisville, Kentucky, nieder.
Diese Ausstellung in der David Nolan Gallery markiert ihre mit Spannung erwartete erste Einzelausstellung in New York und den Beginn ihrer Beziehung mit der renommierten Galerie. Später in diesem Monat wird Sora eine weitere Einzelausstellung in der Third Line Gallery in Dubai zeigen, einer Stadt, die sie liebevoll als Heimkehr bezeichnet. Diese Ausstellungen zeigen Soras immense künstlerische Leistungen nach Jahren der Vertreibung und des Nomadenlebens. Sie festigten ihre zunehmende Bedeutung auf der internationalen Bühne.
Die Werke offenbaren oft zutiefst persönliche Erzählungen, die sowohl auf den Tragödien und Schönheiten der irakischen Kultur als auch auf verdeckten, vom Krieg geprägten Geschichten basieren. In einem Gemälde, Verdict, ragt eine abstrahierte Figur hervor, die einem britischen Richter mit gepuderter Perücke ähnelt und über zusammengedrängten Gestalten thront. Für Sora deutet es auf eine Verunsicherung und ihre ständigen Bemühungen hin, Dokumente zu beschaffen, um die Sicherheit zu gewährleisten, wobei das Schicksal letztendlich in den Händen der Beamten liegt. Durch intime Werke lässt sie komplexe Geschichten wieder auferstehen und verarbeitet gleichzeitig die persönliche Not, die sie als Zeugin der Kriegsfolgen in ihrem Heimatland erlitten hat.
Über die harte Realität von Konflikten hinaus umfassen Soras äußerst farbenfrohe Werke in der Galerie noch viel mehr. Bei näherer Betrachtung kann der Betrachter Vögel, Zentauren und fruchtbare Landschaften erkennen, die subtil in die Landschaften eingewoben sind. Diese fröhlichen, sinnlichen Bilder enthalten zahlreiche historische und interkulturelle Einflüsse. Sora erinnert sich gern an ihre Kindheit inmitten der Rosen und Granatapfelbüsche im Garten ihrer Großmutter in Bagdad. Werke wie Oasis IV und Eden besitzen eine unbestreitbare Großartigkeit. Indem sie Momente der Schönheit aus ihrer Vergangenheit einfängt, zeigt Sora, wie auch aus der Zerstörung Schöpfung entstehen kann. Ihre reichen Visionen wecken die Hoffnung, dass die Widerstandsfähigkeit der Natur und die Fähigkeit der Menschheit, Freude zu bereiten, die Not noch überstehen können. Wenn man insbesondere Eden betrachtet, spürt man eine Pracht, die alles übersteigt, was das Leben zu bieten hat.